Selbstvertrauen schwindet manchmal; vor allem in solchen Szenarien, in denen wir die Welt mit unserem eigenen Denken (zu) ungünstig für uns bewerten. Wir müssen uns daher stets vor Augen halten, dass unser eigenes (un-hinterfragtes) Denken in den allermeisten Fällen UNPRÄZISE und UNVOLLSTÄNDIG ist. Es sei denn, wir arbeiten aktiv dagegen an.
Dies ist für mich eine der beeindruckensten Botschaften aus dem Buch “Play to Win (Choosing Growth Over Fear in Work and Life)” von Larry und Hersch Wilson.
Im diesem Buch wird neben anderen tollen Lebensansichten unter anderem eine Geschichte erzählt über drei Menschen, die in einem Raum einer Schlange gegenüber stehen. Von aussen gesehen gibt es also folgende objektiven, nüchternen Fakten: Schlange sitzt im Raum, Menschen stehen gegenüber. Aber interessanterweise reagieren die Menschen sehr unterschiedlich auf die Situation:
Der erste fürchtet sich und läuft panisch aus dem Zimmer.
Der zweite ist neutral – er weiß nicht viel über Schlangen, ist aber interessiert und beobachtet das Tier neugierig.
Der Dritte wiederum ist mit Schlangen aufgewachsen. Er versichert den anderen, dass genau diese Schlange nicht giftig oder gefährlich ist und hebt sie auch noch auf, um sie den anderen zu zeigen.
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Das Beispiel zeigt vor allem für den furchterfüllten Menschen in der Geschichte, dass dieser keinen anderen Interpretationsspielraum für sich zulässt, außer seine pauschale Angst. Dabei unterlässt er unbewusst eine nähere Betrachtung oder Beobachtung der Umstände und vergibt damit wichtige Handlungsoptionen für sich selbst; andere Optionen, die ihm z.B. viel Stress und Panik ersparen könnten. Damit bleibt er im Bereich der unpräzisen und ungenauen Interpretation der Situation. Das ist für die meisten Menschen leider der leichteste von allen Wegen.
Der zweite Mensch versucht, sich Optionsräume zu schaffen. Gefährlich oder nicht? Kann man mit dem Tier evtl. sogar spielen oder es dressieren? Er geht den unbequemeren Weg, welcher aber der Horizont erweiternde ist: Nur wer die eigenen Grenzen weiter nach aussen verschiebt, wächst auch wahrhaftig im Leben! Das Buch stellt dies als die eigentliche Definition persönlichen Erfolges im Leben dar – als Gegensatz zum allgmeinen Streben nach Geld, Macht oder beruflicher Anerkennung.
Man stelle sich evtl. ein anderes Beispiel aus dem Leben vor, was vermutlich häufiger vorkommt als das Schlangen-Szenario und einige vielleicht auch schonmal erlebt haben: Ein anderer Mensch ist immer wieder in Deiner Nähe, der Dir Unbehagen bereitet (vielleicht hilft Dir eine Situation aus Deinem eigenen Leben dafür, zum Beispiel Dein/e Chef/-in, ein Mitbewohner, Kollege, usw.). Du hast in der Nähe dieses Menschen immer wieder das Gefühl, dass Du irgendwie alles falsch machst – und das, obwohl dieser Mensch eigentlich gar nichts sagt oder kommentiert von dem, was Du so tust. Die eigene Anwesenheit in einer solchen Situation kann zur Qual werden! Dein Selbstvertrauen kann hier stark leiden. Vor allem, wenn Du für Dich nur diese eine Interpretationsmöglichkeit zulässt, um die Situation zu beurteilen. Ständig geisselst Du Dich also selbst!
Jetzt nochmal zu der Geschichte mit der Schlange – ja, richtig: Es ist eben sehr gut möglich, dass Dein Denken unvollständig ist! Du strengst Dich nicht genug an, um Dir mehr Interpretationsmöglichkeiten zu erschliessen!
Im Buch wird dafür ein einfacher Mechanismus empfohlen, der ausgesprochen wirkungsvoll ist:
STOP!
CHALLENGE!
CHOOSE!
Hier der vereinfachte (und übersetzte) Ablauf in meinen Worten:
1: Stop (wildes Denken unterbrechen)
Wenn es einem wie im Beispiel unangenehm wird, also das Selbstvertrauen schwindet, muss man das möglichst schnell erkennen und STOP! in sich hinein rufen (um sich aufzurütteln und das un-hinterfragte Denken anzuhalten).
2: Challenge (Hinterfragen)
Dann muss man sich ernsthaft herausfordern (Englisch: Challenge): Ist das wirklich die einzige Möglichkeit, die Situation zu sehen? Fehlen mir evtl. Informationen über mein Gegenüber? Sagen andere vielleicht auch, dass die Person merkwürdig ist und sie sich unwohl fühlen in ihrer Gegenwart? Geht es der Person schlecht, braucht sie vielleicht Aufmunterung? Eine Krankheit? Die Liste der Interpretationsmöglichkeiten sollte ausreichend lang sein, denn alle Möglichkeiten sind besser, als die erste und eine, mit der wir dann immer wieder gegen uns selbst schiessen. Und Du man hat dann einfach das angenehme Gefühl, mehr Auswahl zu haben.
3: Choose (neue Bewertung wählen)
Im dritten Schritt suchen wir uns aus der Liste der Möglichkeiten die am ehesten wahrscheinliche aus (Englisch: Choose). Und natürlich möglichst nicht diejenige, die uns selbst so klein macht). Das Gefühl der eigenen Minderwertigkeit bleibt dann aus. Wir haben eine erwachsene Entscheidung getroffen.
Ein toller Nebeneffekt dieses Vorgehens ist, dass man sich dadurch nochmal zusätzlich besser fühlt, dass man eine selbstbestimmte Entscheidung getroffen hat. Je größer der Lösungsraum, den man für sich schafft (auch abstruse Lösungen sind gültig), desto mehr habe stellt sich das Gefühl ein, echte Wahlmöglichkeiten zu haben. Man fühlt sich nicht mehr so “eingesperrt” in der Situation.
Mir selbst hat diese Prozedur immer wieder geholfen in Momenten, in denen ich innerlich (zu) sensibel reagiere. Zum Beispiel schnippische Antworten von Kollegen die unter Druck stehen, über die ich dann evtl. tagelang grübele. Oder Gespräche mit Vorgesetzten, bei denen der Ton fordernd wird. Freunde, oder neue Bekanntschaften, die sich nicht mehr gemeldet haben usw. Jeder hatte sowas schonmal, glaube ich – man darf sich nicht “ins Bockshorn” jagen lassen und anderen Menschen so viel Macht in die Hände geben, dass sie über das eigene Gefühlsleben so tiefgreifend mitbestimmen können. Es gibt eben hunderte von Möglichkeiten, warum mein Gegenüber gerade so ist wie er/sie gerade ist. Nur selten hat das ganz direkt mit mir selbst zu tun. Und wenn, dann kann man das auch durch schlichtes Ansprechen ausschliessen.
Probiert’s aus und ich hoffe, dieses Verfahren hilft Euch auch an der einen oder anderen Stelle in Eurem Leben.
Hallo Robert,
ich finde Deinen Artikel sehr gut. Er geht sehr in die Tiefe und betrifft den Alltag der meisten Menschen.
Viele Grüße,
Michael
Lieber Robert,
Deine beschriebene Methode ist eine wirklich tolle Anleitung, um sein eigenes Denken zu hinterfragen und einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Es funktioniert und mit ein wenig Übung wendet man die Methode dann irgendwann automatisch an.Danke für diesen tollen Artikel!
Liebe Grüße,
Mona